Freitag, 9. September 2011

Schuld & Sühne & Jeff Hardy

Von euphorischem Beifall begleitet geht er, mit den Händen in den Hosentaschen, zum Ring. Er ist komplett in weiß gekleidet, sein Gesicht ziert ein Dreitagebart. Die Musik setzt aus, das Publikum feiert ihn weiter, er wirkt nachdenklich. "Thank you, thank you, I do not deserve that, but thank you!" Es fällt ihm schwer diese Worte zu sagen, doch er hat recht damit: diese Reaktion hat Jeff Hardy eigentlich nicht verdient. Nicht nachdem er Ken Anderson vergangen Herbst mit dem Stuhl ein Loch in seinen Schädel geschlagen hat, nicht nachdem er immer wieder im Vollrausch zur Arbeit erschienen ist und man ihn deswegen mehrmals von der Matchcard genommen hat und vor allem nicht nach dem Debakel im Mainevent gegen Sting, als er zu dicht war um ein anständiges Match zu führen - obwohl es ein Titelmatch war.
Seien wir mal ehrlich: Jeff Hardy hat einfach jede menge Mist gebaut. Genug Mist, dass man beruhigt sagen kann, eigentlich hat er seine letzte Chance verspielt.
"The last time I was saw in this ring I was pathetic, I was messed up, I had a Maineventmatch with a guy I looked up to for a long time and I failed miserably." erklärt er weiter. Er kämpft mit den Tränen. Vielleicht erinnert er sich daran, wie er als Kind sich wie Sting geschminkt hat - und im nächsten Atemzug daran, wie wütend er Sting gemacht hat, in dem er ihm nicht den Respekt erweisen konnte um anständig gegen ihn zu verlieren. Vielleicht hallen in diesem Moment Stings Worte noch in seinem Ohr "I agree, this is bullshit!".
"I let everybody down. I let myself down, cause I wasn't the maineventer I know I am!" sagt er, mehr zu sich selber, und schüttelt in Verachtung den Kopf. Wie weit bist du gesunken, Jeff? Ich war zwar nie ein großer Jeff Hardy Fan, einzig die TLC-Zeiten in der Attitude Ära lassen mich beim Namen Hardy schwärmen, aber ich erinnere mich auch an einen anderen Jeff Hardy. Einen Jeff Hardy, der kurz davor war, einer der ganz großen im Buisness zu werden. Der (wie Triple H ihn so gern deswegen aufzog) "just one second away" war. Der mit CM Punk die beste Fehde der WWE zu dieser Zeit, vielleicht sogar in jenem Jahr, hinlegte. Der sich und CM Punk so in den Mainevent Status katapultierte. Dem man die Chance anrechnete, TNA gegen WWE aufziehen zu lassen.
Doch in TNA lief es alles nicht so gut, oder? Ein Gerichtsverfahren am Hals, ständige Drogen und dann auch noch den Druck des Championtitel - wenn man dann noch den abgefuckten großen Bruder am Hals hat, scheint das alles nicht so leicht.
"All I can do is ask: Give me one more shot!", er zittert, er kämpft mit den Tränen. Er wirkt wirklich geläutert in dem Ring, und man möchte ihm noch eine Chance geben. Doch es ist nicht so, als sei dies das erste mal, dass wir Jeff in dieser Situation sehen.
Eddie Guerrero war ähnlich abgefuckt, bis er trocken wurde, nichts mehr einwarf und schließlich der Publikumsliebling und Hall of Famer wurde, an den man sich erinnern will. Doch war es genau sein Lebensstil zuvor, der ihn noch nachträglich das Leben kostete.
"All I can do is ask!" Eine Woche nach dem Taping wird "The Charismatic Enigma" vom Gericht verurteilt. Schuldig, in einem Gerichtsverfahren, welches fast zwei Jahre ging und immer wieder und wieder verschoben wurde. Eine Geldstrafe wartet auf ihn. 10 Tage Haft warten auf ihn. Hoffentlich wacht er wirklich in dieser Haft auf, merkt, dass es jetzt oder nie heißt. Ich hoffe es wirklich für ihn. Denn es scheint, als würde er natürlich die neue Chance bekommen. Aber ganz ehrlich, eigentlich hat Jeff Hardy dies nicht verdient.

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